Wieso tust du dir das eigentlich an?

In den letzten Wochen habe ich immer wieder mit mir nahen Menschen ein ähnliches Gespräch geführt: Ich habe ihnen erzählt, dass ich einen adipositaschirurgischen Eingriff vornehmen lassen möchte, und erklärt, wieso meine Entscheidung darauf gefallen ist. 

 

Die meisten von ihnen haben mich überrascht damit, wie verständnisvoll sie sind und wie sehr sie akzeptieren können, dass Menschen und Körper unterschiedlich sind. Sie haben gesehen, dass dieser Weg vielleicht nicht für sie oder jemanden anders richtig ist, es aber für mich trotzdem sein kann. 

 

Einige wenige konnten mir dieses Verständnis nicht entgegenbringen. Mit der Nachricht, mich operieren lassen zu wollen, habe ich sie völlig schockiert – was jeweils in monologartigen Vorträgen gemündet hat, die allesamt etwa die folgenden Inhalte hatten: 

  • "Das ist aber schon SEHR radikal, das würde ich NIE machen!"
  • "Ich kämpf ja auch so sehr mit meinem Speck, aber ich krieg das auch irgendwie hin!"
  • "Ich hab ja auch x Kilo abgenommen, du musst nur XXX ... !"
  • "Der Schwager meiner besten Freundin schwört ja auf XXX und den Dr. XXX, da solltest du wirklich einmal hingehen! Das ist keine Diät, das ist nämlich eine Ernährungsumstellung! Probiers doch einfach einmal!"

Sie konnten nicht verstehen, dass man meine Situation eben nicht mit der einer anderen Person vergleichen kann. Die Gründe, weshalb ich in meiner jetzigen Situation bin, sind so unergründlich und zahlreich, dass der Vergleich mit anderen Menschen schon hinkt, bevor er überhaupt den ersten Schritt getan hat.


Es klingt dramatischer, als es ist und ich tu mir deshalb sicher nicht leid. Aber Tatsache ist, dass ich mich einfach nicht mehr mit neuen Versuchen beschäftigen KANN. Ich kann keine Hoffnung mehr in Ideen, Konzepte, Umstellungen, Ernährungsweisen, Diäten, Trainingsplänen und sonstigen Kram legen. Ich kann die Motivation für etwas nicht aufbringen, das zu etwa 90 % NICHT funktionieren wird und hinterher wahrscheinlich alles schlimmer macht.

Ich habe es – im wahrsten Sinne des Wortes – satt. 

Du musst halt auch wollen/dran glauben!

Klar, nun könnte man sagen: "Wenn du schon beim Beginn einer Diät glaubst, dass es nicht funktionieren wird, dann KANN das ja gar nicht gehen. Du musst schon daran glauben!" Das ist eine durchaus verständliche Denkweise, doch es ist die Denkweise von jemandem, für den Abnehmen und Zunehmen mehr oder weniger lästige kleine Themen sind. Von jemandem, der vielleicht immer mal wieder mit den 5 oder 10 kg hadert, die er gerne abnehmen will. Oder für jemanden, der lange Normalgewicht hatte, einmal etwas zugenommen hat und das Gewicht dann wieder losgeworden ist. Man braucht doch nur ein bisschen Motivation, oder?

 

Für mich ist es aber mehr als nur ein bisschen Speck. Für mich ist es ein lebensbeherrschendes Thema. Schon tausend Mal war ich an dem Punkt, unendlich motiviert zu sein. Ich war unzählige Male völlig überzeugt davon, am Beginn einer neuen Ära zu stehen. "Die dicke Juliane liegt hinter mir, ich werde meine Ziele erreichen!"

Manchmal hat es sogar funktioniert – für etwa ein halbes Jahr. Von den etwa 30 Diäten, Ernährungsumstellungen und sonstigen Motivationsphasen, die ich in den letzten fast 20 Jahren durchlebt habe, gab es keine einzige, bei der ich nicht hinterher mehr Gewicht hatte als zuvor.

Hast du es denn schon so RICHTIG probiert?

Meine Diätversuche in chronologischer Reihenfolge über fast 20 Jahre hinweg (einige von ihnen habe ich bei schwindendem Erfolg öfter wiederholt, insgesamt waren es etwa 30 verschiedene Versuche):

 

  • Ich habe Broteinheiten gezählt (das hat mir mein damaliger Hausarzt empfohlen – ich war übrigens 12 und normalgewichtig).
  • Ich habe Blitzdiäten gemacht: Bananendiät, Ananasdiät, Krautsuppe, Zitronensaft und Ahornsirup und Ähnliches. 
  • Ich habe gefastet/gehungert: Einmal pro Tag eine Kleinigkeit essen, dann die Stunden zählen, bis wieder etwas anderes als Wasser in meinem Magen landete. Mein "Rekord" waren lahme 48 Stunden. 
  • Ich habe FdH gemacht. 
  • Ich habe unzählige Male über Wochen und Monate hinweg Kalorien gezählt. Manchmal auf vernünftige Weise mit 1300-1500 Kalorien. Einmal auf sehr unvernünftige Weise mit 300-500 Kalorien täglich, über Wochen hinweg. (Belohnung für 8 Wochen Hungern damals: -2,5 kg. Als das nicht mehr funktionierte, steigerte ich langsam auf 1000 Kalorien täglich und nahm 10 kg zu)
  • Ich habe die Walleczek-Diät gemacht. 
  • Ich habe mich nach der Mittelmeerkost ernährt. 
  • Ich habe versucht, mich an alle Regeln der österreichischen Gesellschaft für Ernährung zu halten. 
  • Ich habe "Salto vitale" gemacht. 
  • Ich habe Schlank im Schlaf gemacht. 
  • Ich habe verschiedene Shake-Diäten gemacht (Almased etc.).
  • Ich habe Metabolic Balance gemacht (meine "erfolgreichste" Diät mit 17 kg Abnahme und danach 25 kg Zunahme). 
  • Ich war bei den Weight Watchers. 
  • Ich habe mich von Psychologen, Verhaltenstherapeuten und Gestalttherapeuten beim Abnehmen unterstützen lassen. 
  • Ich habe ein Jahr lang Ernährungsberatung, medizinische und psychologische Betreuung, Physiotherapie und Sport gemacht (und in der Zeit 4 kg zugenommen). 
  • Ich habe Low Carb gemacht. 
  • Ich habe mich nach dem LOGI-Prinzip ernährt. 
  • Ich habe zig Male ein Sportprogramm begonnen und über Wochen hinweg durchgehalten. 
  • Ich habe versucht, einfach auf Süßigkeiten zu verzichten und weniger Kohlenhydrate zu essen. 

 

Es gibt keine EINZIGE dieser Methoden, die mir nicht jemand empfohlen hat, der absolut Stein und Bein drauf schwörte, dass es DIE richtige Methode sei. Bei keiner einzigen dieser Methoden fehlten mir Erfahrungsberichte von Menschen, die genau damit abnehmen konnten und mit sonst nichts. Bei keiner einzigen dieser Methoden dachte ich am Anfang, dass es sowieso nicht hinhauen würde. 


Zu guter Letzt habe ich in den letzten zwei Jahren versucht, mich so wenig wie nur irgend möglich mit dem Essen zu beschäftigen, um mal Ruhe einkehren zu lassen und wenigstens nicht zuzunehmen. 

Als auch das nicht geklappt hat, war für mich der Zeitpunkt gekommen, an dem ich mir eingestand: Es gibt eine Möglichkeit, bei der ich WIRKLICH eine Chance habe. Es ist keine Möglichkeit, die einfach ist und einen davor bewahrt, sich gesund zu ernähren und Sport zu treiben. Im Gegenteil: Sie zwingt einen körperlich dazu. In punkto Selbstdisziplin wird es also einfacher: Ich habe keinen übermäßigen Hunger mehr und werde dazu gezwungen, nicht zu viel Süßes zu essen. Dafür bezahlt man jedoch mit Nebenwirkungen, Schmerzen und dem Gefühl, diese Entscheidung nie wieder rückgängig machen zu können. Man kann also nicht sagen, dass es durch die OP besonders leicht sein wird – aber es wird schaffbar. 

 

Ich bin sowas von bereit, diesen Preis für ein gesundes Leben zu bezahlen. Deshalb freue ich mich sehr, dass ich diese Möglichkeit nun bekommen habe und auf ein sehr spannendes Jahr 2018 vorausschauen kann.