In den letzten Wochen habe ich immer wieder mit mir nahen Menschen ein ähnliches Gespräch geführt: Ich habe ihnen erzählt, dass ich einen adipositaschirurgischen Eingriff vornehmen lassen möchte, und erklärt, wieso meine Entscheidung darauf gefallen ist.
Die meisten von ihnen haben mich überrascht damit, wie verständnisvoll sie sind und wie sehr sie akzeptieren können, dass Menschen und Körper unterschiedlich sind. Sie haben gesehen, dass dieser Weg vielleicht nicht für sie oder jemanden anders richtig ist, es aber für mich trotzdem sein kann.
Einige wenige konnten mir dieses Verständnis nicht entgegenbringen. Mit der Nachricht, mich operieren lassen zu wollen, habe ich sie völlig schockiert – was jeweils in monologartigen Vorträgen gemündet hat, die allesamt etwa die folgenden Inhalte hatten:
Sie konnten nicht verstehen, dass man meine Situation eben nicht mit der einer anderen Person vergleichen kann. Die Gründe, weshalb ich in meiner jetzigen Situation bin, sind so unergründlich und zahlreich, dass der Vergleich mit anderen Menschen schon hinkt, bevor er überhaupt den ersten Schritt getan hat.
Es klingt dramatischer, als es ist und ich tu mir deshalb sicher nicht leid. Aber Tatsache ist, dass ich mich einfach nicht mehr mit neuen Versuchen beschäftigen KANN. Ich kann keine Hoffnung
mehr in Ideen, Konzepte, Umstellungen, Ernährungsweisen, Diäten, Trainingsplänen und sonstigen Kram legen. Ich kann die Motivation für etwas nicht aufbringen, das zu etwa 90 % NICHT
funktionieren wird und hinterher wahrscheinlich alles schlimmer macht.
Ich habe es – im wahrsten Sinne des Wortes – satt.
Klar, nun könnte man sagen: "Wenn du schon beim Beginn einer Diät glaubst, dass es nicht funktionieren wird, dann KANN das ja gar nicht gehen. Du musst schon daran glauben!" Das ist eine durchaus verständliche Denkweise, doch es ist die Denkweise von jemandem, für den Abnehmen und Zunehmen mehr oder weniger lästige kleine Themen sind. Von jemandem, der vielleicht immer mal wieder mit den 5 oder 10 kg hadert, die er gerne abnehmen will. Oder für jemanden, der lange Normalgewicht hatte, einmal etwas zugenommen hat und das Gewicht dann wieder losgeworden ist. Man braucht doch nur ein bisschen Motivation, oder?
Für mich ist es aber mehr als nur ein bisschen Speck. Für mich ist es ein lebensbeherrschendes Thema. Schon tausend Mal war ich an dem Punkt, unendlich motiviert zu sein. Ich war unzählige Male völlig überzeugt davon, am Beginn einer neuen Ära zu stehen. "Die dicke Juliane liegt hinter mir, ich werde meine Ziele erreichen!"
Manchmal hat es sogar funktioniert – für etwa ein halbes Jahr. Von den etwa 30 Diäten, Ernährungsumstellungen und sonstigen Motivationsphasen, die ich in den letzten fast 20 Jahren durchlebt habe, gab es keine einzige, bei der ich nicht hinterher mehr Gewicht hatte als zuvor.
Meine Diätversuche in chronologischer Reihenfolge über fast 20 Jahre hinweg (einige von ihnen habe ich bei schwindendem Erfolg öfter wiederholt, insgesamt waren es etwa 30 verschiedene Versuche):
Es gibt keine EINZIGE dieser Methoden, die mir nicht jemand empfohlen hat, der absolut Stein und Bein drauf schwörte, dass es DIE richtige Methode sei. Bei keiner einzigen dieser Methoden fehlten mir Erfahrungsberichte von Menschen, die genau damit abnehmen konnten und mit sonst nichts. Bei keiner einzigen dieser Methoden dachte ich am Anfang, dass es sowieso nicht hinhauen würde.
Zu guter Letzt habe ich in den letzten zwei Jahren versucht, mich so wenig wie nur irgend möglich mit dem Essen zu beschäftigen, um mal Ruhe einkehren zu lassen und wenigstens nicht
zuzunehmen.
Als auch das nicht geklappt hat, war für mich der Zeitpunkt gekommen, an dem ich mir eingestand: Es gibt eine Möglichkeit, bei der ich WIRKLICH eine Chance habe. Es ist keine Möglichkeit, die einfach ist und einen davor bewahrt, sich gesund zu ernähren und Sport zu treiben. Im Gegenteil: Sie zwingt einen körperlich dazu. In punkto Selbstdisziplin wird es also einfacher: Ich habe keinen übermäßigen Hunger mehr und werde dazu gezwungen, nicht zu viel Süßes zu essen. Dafür bezahlt man jedoch mit Nebenwirkungen, Schmerzen und dem Gefühl, diese Entscheidung nie wieder rückgängig machen zu können. Man kann also nicht sagen, dass es durch die OP besonders leicht sein wird – aber es wird schaffbar.
Ich bin sowas von bereit, diesen Preis für ein gesundes Leben zu bezahlen. Deshalb freue ich mich sehr, dass ich diese Möglichkeit nun bekommen habe und auf ein sehr spannendes Jahr 2018 vorausschauen kann.
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