Die Geburt – oder was lange Haare in 1aFi mit Sprache zu tun haben.

Lange konnte ich selbst nicht genau beschreiben, was mich an meinen liebsten Hobbys und Themenbereichen so interessierte. Irgendwann stieß ich zufällig im Netz auf ein Forum für Menschen, die sich die Haare wachsen lassen wollen. 

 

Richtig. Ein Forum darüber, dass Haare länger werden, wenn man sie nicht abschneidet. 

Das Ausmaß des Wahnsinns.

Das Forum hat 17.000 (!) Mitglieder, die sich zu 99 % darüber unterhalten, wie lange ihre Haare werden sollen, wie viel davon sie schon geschafft haben, wie ihre Haarstruktur beschaffen ist und welche Pflegeroutine sie am besten finden. Sie unterhalten sich bizarrerweise über einen körperlichen Vorgang, der gleichzeitig fast jeden Menschen betrifft und doch den meisten entweder nicht bewusst oder völlig bewusst völlig blunzen ist. 

http://www.langhaarnetzwerk.de
http://www.langhaarnetzwerk.de

 

Doch anders als auf den Blick vermutet, tat sich in jenem Forum eine Tür zu einer eigenen Welt auf. Diese Leute (vornehmlich Frauen, versteht sich), denken jeden Tag an ihre Haare, genauer gesagt deren Länge. Sie messen sie regelmäßig (und zwar nach genauen Regeln und Methoden), sie pflegen sie exakt nach Plan, sie haben eine genaue Vorstellung davon, wie lange ihre Haare werden sollen und in welcher Zeit das zu schaffen sein müsste. Die "Identität" der Teilnehmerinnen stoppelt sich aus Namen und Profilbild einerseits (meistens Rückenansichten mit nach hinten geneigtem Kopf und offenen Haaren) und einer für mich erst mal nicht entzifferbaren Kombination aus Zahlen und Buchstaben in der Signatur zusammen.

 

 

In irgendeinem Beitrag las ich dann die folgende Beleidigung: "Sorry, aber du bist einfach 1cFi, auch wenn dir das nicht gefällt. Das ist bestenfalls ein Bodymove, geh mal mit der WBB drüber und dann reden wir weiter." Die restlichen Teilnehmerinnen verfielen einerseits in höchste Erregung über diese Anmaßung und andererseits wiederum in Beschimpfungen dieser Leute, die die antwortende Teilnehmerin angriffen. Doch ich verstand nur Bahnhof. 

Warum zur Hölle?

Nach zwei Stunden wusste ich Bescheid. Ich kannte alle Haartypen, Merkmale und Volumensbeschreibungen. Doch eines wusste ich nicht: Wieso zur Hölle beschäftige ich mich zwei Stunden lang damit? 

 

Ich habe nachgedacht – viel nachgedacht. Und dann spürte ich dieses Knacken im Hirn, das sich so anfühlt, als würde ein Gelenk wieder eingerenkt: Diese Gemeinschaft ist eine eigene kleine Gesellschaft. Sie hat ihre eigene Sprache (Stirn-Scheitel-Spitzen-Methode, Nutzlänge und Dekokt, kennste?), ihre eigenen Regeln (über Haarausfall bitte nur im Trigger-Unterforum schreiben, kursiv schreiben ist nicht erlaubt) und ihre eigenen Klischees ("Bitte, das ist wieder mal so typisch 3c!!"). 

Ich war angefixt. 

 

 

Endlich konnte ich mein Interesse beim Namen nennen, endlich war da diese Erklärung für alles, was mich magisch anzog: Es sind Welten, deren Tür für viele verschlossen bleibt. Entweder, weil der Türsteher davor rigide Einlassregeln hat und die auch durchsetzt, oder weil man die Tür unter tausenden gar nicht erst findet. 

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