Welcome to Brautzilla-Land!

Tüll und Tränen – ich habe selbst erlebt, wie man sogar beim Planen einer im Vergleich winzigen und extrem simplen Hochzeit fast die Nerven schmeißen möchte. Bei den klassischen Brautzillas wird das Ganze jedoch noch einmal auf eine ganz andere Ebene gehoben. Ein Einblick aus erster Hand in die bittersüße Welt der Bräute.

Ich bin Hochzeitssängerin. Was früher ein Hobby war, ist jetzt ein Nebenberuf und es ist das, was ich musikalisch am besten kann: Rührende Momente begleiten, mich so richtig mit Gefühl reinhängen. Ich bin naturgemäß keine Rampensau für eine Rockband, aber ich bin anscheinend irgendwie dafür geeignet, Leute zu rühren, auf ihre Wünsche einzugehen und eine Feier auch feierlich zu machen. 

 

Das macht mir Spaß. Ziemlich viel Spaß sogar. Es ist nichts, womit man sich ein goldenes Näschen verdient, aber es ist schön, gleichzeitig seine Stimme zu trainieren, Gitarre zu üben, sein Repertoire zu erweitern, ein paar Leute glücklich zu machen und nebenbei auch noch dafür bezahlt zu werden. Ich darf bei den wichtigsten und intimsten Momenten dabei sein – für eine, die immer auf der Suche nach dem Besonderen ist, ist das natürlich ein Traum. 

 

Es ist aber auch eine große Aufgabe, erst mal an Aufträge zu kommen. Eine wichtige Rolle spielt dabei natürlich, dass man sein Zielpublikum gut kennen muss und dort auch präsent sein muss. Was bietet sich da mehr an, als sich die Orte der Zusammenkunft anzusehen? Ich bin also in gut 15 Facebook-Gruppen und ein paar Foren zum Thema unterwegs. Was sich dort abspielt, hat jedoch einen Artikel verdient. 

Die Einwohnerinnen

Natürlich. 

NATÜRLICH gibt es heterosexuelle Männer, die sehr stark involviert in die Hochzeitsplanung sind und sich mit anderen Bräuten und Bräutigamen austauschen. Natürlich machen die sich genausoviele Sorgen um ihre Kleidung, die Gästeliste und andere wichtige Dinge auf der To-Do-Liste, von denen Otto Normalverbraucher noch nie gehört hat (Freudentränchen, Wedding Wands ... aber dazu später noch mehr). 

Es ist bloß so: Ich kenn keinen. Zu den etwa 5 heterosexuellen Bräutigamen, 20 homosexuellen Bräutigamen und 35 homosexuellen Bräuten, von denen ich in den zahlreichen Hochzeitsgruppen auf Facebook gelesen habe, gesellen sich nämlich insgesamt rund 10.000 heterosexuelle Bräute, die dort aktiv sind. Einige von ihnen tummeln sich bereits dort, obwohl sie noch "auf ihren Antrag warten" (zum Teil, obwohl das Hochzeitsdatum bereits fixiert ist – what?). Andere trauen sich erst nach der offiziellen Verlobung in diesen Kreis.

 

Die meisten von ihnen kann man ehrlich gesagt nicht als klassische "Brautzillas" bezeichnen. Ich bin sehr oft (und überhaupt abseits des Internets) auf sehr nette Bräute gestoßen, die halt meistens ... sagen wir mal, sehr klare Vorstellungen haben und diese auch umsetzen. Manche können dabei jedoch ziemlich rigide vorgehen und werden fuchsteufelswild, wenn eine der Brautjungfern ihr vorgeschriebenes lachsfärbiges Kleid nicht selbst bezahlen will oder die Trauzeugin unbedingt einen Hosenanzug tragen möchte.

Wedding what?

Die Sprache der Bräute bedient sich einiger Begriffe, von denen man als "Ausländerin" null Ahnung hat. JEDE weiß, was Freudentränchen sind: kleine Briefchen mit je einem Taschentuch, die in der Kirche auf jedem Platz liegen – damit die Gäste sich die tränenbenetzten Wangen trockentupfen können. Für mich schwingt da ein ziemlich eindeutiger Druck mit, auch unbedingt gerührt sein zu MÜSSEN. Und trotzdem habe ich in meiner Sängerinnen-Laufbahn nicht nur einen Gast gesehen, der die liebevoll verpackten Tränen-Taschentüchlein gleich mal während dem Einzug der Braut und ohne Rührungshintergrund für eine penible und lautstarke Nasensäuberung verwendet.

 

Sie wissen auch, was man mit "wedding wands" macht. Das sind kleine Stäbchen mit Bändern dran, die die Hochzeitsgäste in die Höhe halten und herumwedeln sollen. Wer einmal Alf Poiers "Zen" gesehen hat, weiß, woran mich DAS erinnert:

Weitere Begriffe aus dem Brautzilla-Lexikon: Fotobooth, Candybar, Wurfstrauß, Smoke Bomb, Cake Topper, Wedding Tree ... Die Liste ist unendlich, doch die Bräute wissen, wovon sie sprechen. 

Die "Normen" in Brautzilla-Land

Ausnahmen gibt es IMMER und es sei weder mir noch jemand anderem ein Urteil über die Vorgehensweisen erlaubt. Aber trotzdem haben 90 % der Bräute die folgenden Ansichten:

  • DER MANN macht den Antrag. Punkt.
  • Abnehmen, künstliche Nägel, Frisörin und Visagistin sind Pflicht. Schließlich ist es der schönste Tag des Lebens und dabei muss man auch am allerschönsten sein. 
  • Ringe müssen mehr als 500 EUR kosten. 
  • Die Trauzeugin muss die Hochzeit mitorganisieren und vor allem den Junggesellinnenabschied planen.
  • Ein Hochzeitskleid (natürlich weiß, mit Reifrock und Glitter und/oder Spitze) ist so wichtig und besonders, dass man es um mindestens 1.000 EUR kaufen oder um mindestens 500 EUR mieten muss. Exklusive Accessoires.
  • Ringe müssen unbedingt von Kleinkindern oder Hunden getragen werden (nicht unbedingt die Verlässlichsten für den Job).
  • Sämtliche Hochzeitstraditionen "gehören eben dazu". 
  • Alle Hinweise darauf, dass der Bräutigam gar nicht heiraten will, sind sehr, SEHR lustig. Deshalb muss auf den Schuhsohlen "HELP!" stehen oder "GAME OVER" oder auf der Hochzeitstorte schleift die Braut den Bräutigam an der Krawatte zum Altar.
  • "Wir sind nicht so die Kirchengeher, aber nur standesamtlich ist doch keine RICHTIGE Hochzeit."
  • Die Hochzeitsnacht muss bombastischen Sex beinhalten.

 

Hinter jede dieser Ansichten kann man bei Bedarf gerne noch ein "Schließlich heiratet man nur einmal" hinzufügen, insofern das die persönliche Geschichte zulässt. 

Wann es brenzlig wird

Ich muss trotz allem zugeben, ich hätte mir in diesen Gruppen mehr Streit und Zickereien erwartet. Meistens geht es recht gesittet zu.

Brenzlig wird es aber dann doch bei gewissen Streitthemen wie "Soll man für die Hochzeit einen Kredit aufnehmen?" oder, wenn eine Braut stolz ihr völlig schiefes Kunstfaser-Hochzeitskleid aus China oder ein katastrophales Make-up herzeigt. Die Reihenfolge bleibt immer dieselbe: Erst kommen zehn Kommentare der "Hater", die ihre völlige Erschütterung ob der Meinung der Posterin ausdrücken und dabei auch noch witzig sein wollen. Dann folgen die "Hater-Hater", die sich fürchterlich darüber aufregen, dass die Threaderstellerin hier so bloßgestellt wird und wenn es ihr denn gefiele, sollten die Hater doch die Klappe halten. Dann folgen die "Hater-Hater-Relativierer", die den Hater-Hatern zwar recht geben, dass die Hater tatsächlich zu gemein waren, den Hatern aber inhaltlich recht geben. Es ist kompliziert, aber es wiederholt sich.

 

Brautzilla-Land ist ein heißes Pflaster – aber irgendwie auch ziemlich faszinierend. Ich hab jedenfalls meinen Spaß mit meinen Zillas und wenn dabei dann noch der eine oder andere Auftrag rausschaut, haben wir alle was davon. 

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